Shades of Grey

Romantik pur, Fesselspiele und das Verlangen einer Frau an lustvoller Unterwerfung. Das sind die Zutaten der Shades of Grey Roman-Trilogie, die bislang Millionen von Leserinnen (und Leser?) gefesselt hat. Seite um Seite haben sie die Lovestory der fesselnden Art zwischen dem milliardenschweren Unternehmer Christian Grey und der Studentin Anastasia Steele genossen und sich davon anscheinend auch animieren lassen. Schon das Erscheinen des erstens Bandes „Geheimes Verlangen“ hat einen Boom auf Fesselspiele ausgelöst und dafür gesorgt, dass in den Sexläden Londons bald die Peitschen ausverkauft waren.

Humorlose Kritiker und lustvolle Leser

 

erotische Literatur

Erotische Literatur ist seit „Shades of Grey“ in den Bestsellerlisten vertreten.

In Deutschland kann Shades of Grey einen ähnlichen Erfolg verzeichnen. Das große Interesse nach der deutschsprachigen Erstveröffentlichung im April 2012 führte den ersten Band direkt in die Bestseller-Listen. Auch die Literaturkritik kam nicht umhin, dem Phänomen Shades of Grey ihre Aufmerksamkeit zu schenken. Aber während in Großbritannien die Kritiker die Bücher überwiegend wohlwollend würdigten und in den Romanen gute Unterhaltung ausgestattet mit sexuellen Fantasien von einer Frau für Frauen sehen, wurde und wird die Diskussion in Deutschland ziemlich verbissen geführt. Die ewige Unterscheidung hierzulande zwischen ernster und unterhaltsamer Literatur führt in die übliche Sackgasse. Teils humorlose Kritiker und überwiegend lustvolle Leser stehen sich unversöhnlich gegenüber. Seitens der Kritik werden die Bücher oftmals verächtlich in die Kategorie Heftromane eingeordnet.

Pornografie für Frauen?

Neben der typisch deutschen Frage, ob es sich bei der Trilogie um „gute“ oder um Trivialliteratur handelt, ist auch die Diskussion entbrannt, ob die Erotikromane pornografisch sind. Die Ikone der deutschen Frauenbewegung, Alice Schwarzer, verneint das, denn die Frau werde nie zum passiven Objekt degradiert. Ähnlich entspannt begegnet sie auch dem Vorwurf, die Erotik-Reihe wäre ein Schlag gegen die Emanzipation der Frau. Männlicher Sadismus und weibliche Fantasien begegnen sich in den Geschichten von E. L. James. Das ist aus der Sicht von Frau Schwarzer eher emanzipiert, da „zwischen Fantasie und Realität Welten liegen“. Zumal es zwischen Anastasia Steele und dem Unternehmer nie wirklich zu Quälereien kommt. Das gekonnt geschriebene Kräftemessen des Paares per E-Mail zu lesen, ist ein literarischer Lustgewinn. Und möglicherweise erklärt diese Mischung aus guten Dialogen und fantasievoller Beschreibung von SM-Praktiken den Erfolg der Lektüre. Viele Leserinnen begeben sich damit wahrscheinlich auf fremdes Terrain und entdecken neue sexuelle Seiten in sich. Was spricht dagegen? Im Vereinigten Königreich wurde für die Reihe der Begriff „Mommy Porn“ geprägt. In Deutschland wurde daraus „Hausfrauen-Pornografie“. Der Versuch, damit die Bücher und deren Leserinnen ins Lächerliche zu ziehen, wendet sich gegen die Urheber, die damit ihr konservatives Weltbild und ihre Verklemmtheit offenbaren. Die „Mommy“ wird von diesen Kritikern nach wie vor nicht als sexuelles Wesen mit eigenen Wünschen und Fantasien angesehen. Hat sie trotzdem diesen Anspruch, wird das alte Klischee von der „Hure oder Heilige“ hervorgeholt. Frauen von heute sind zum Glück viele Schritte weiter.